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Fünf Jahre PEGIDA – Kein Ende in Sicht?

Auf Dresdens Straßen und Plätzen ist es aktuell ruhig. Der Corona-Virus legt die Stadt lahm und auch die wöchentlichen Demonstrationen rund um die rechte Bewegung PEGIDA müssen pausieren.

Seit 2014 marschiert PEGIDA durch Dresden, wie auch hier am 30. März 2015.
Seit 2014 marschiert PEGIDA durch Dresden, wie auch hier am 30. März 2015.

PEGIDA – das Dresdner Phänomen das viele Wissenschaftler*innen vor ein Rätsel stellte. Das erste Mal trafen sich etwa 350 Personen am 20. Oktober 2014 im Zentrum Dresdens. Und seitdem sind sie nahezu jede Woche in der Innenstadt aufzufinden. Innerhalb von nur drei Monaten wuchs die Bewegung auf 25.000 Menschen an. Mit zahlreichen Deutschlandfahnen, nationalistischen und fremdenfeindlichen Parolen, aber auch die ablehnende bis aggressive Stimmung gegen andere Menschen vor Ort prägte das Stadtbild Dresdens, jeden Montag. Die Einwohner*innen machen Montagabends einen weiten Bogen um die Innenstadt, Tourist*innen verlassen schnellen Schrittes den Platz vor der Frauenkirche und die arbeitenden Menschen reagieren genervt.

Es gab eben nie so eine Art Stimmungsumschwung, dass die Dresdner Stadtgesellschaft plötzlich beschließen würde, gemeinsam, kraftvoll und mit allem was dazu nötig ist – und der nötigen Solidarität gegenüber verschiedenen Aktionsformen – dafür zu sorgen, dass PEGIDA aus der Stadt vertrieben wird.“

Maren Wilczek, schreibt für das Tschop-Tschop Magazin

Nur genervt von was? Dresden stört(e) sich selten an den PEGIDA-Aufmärschen. Das Problem waren scheinbar immer die Gegendemonstrant*innen, diese wenigen hundert Menschen, die Woche für Woche auf die Straße gehen und einen scheinbar endlosen Kampf führen. Für Weltoffenheit, für Toleranz, für Mitmenschlichkeit. Gegen Hass, gegen Hetze, gegen Antisemitismus und Islamfeindlichkeit.

Einige Menschen ziehen das nun schon einige Jahre durch, andere haben Dresden oder auch Sachsen aufgegeben oder aufgeben müssen. Sie konzentrieren sich auf neue Aufgaben, auf neue Städte und andere Themen. Dinge, die wohl für viele mehr Aussicht auf Erfolg haben und weniger Probleme mit der Polizei nach sich ziehen. Denn gerade am Anfang machten die eingesetzten Beamt*innen den Gegendemonstrant*innen klar: Sie sind hier unerwünscht. So wurde auch von der Versammlungsbehörde jahrelang und auch heute immer noch versucht den Gegenprotest klein zu halten. Das Recht, Protest in Sicht- und Hörweite auszuüben, wurde sich hart erkämpft.

Nirgends sonst gab es so große PEGIDA-Demos. Mit diesen Größenordnungen hatte es keine andere Stadt zu tun. Nach der ersten und bislang einzigen Blockade Ende 2014 verfolgte die Polizei zwei Jahre lang mit enormem Kräfteeinsatz eine scharfe Lagertrennung. Die Gegendemonstrant*innen haben es nie wieder geschafft PEGIDA signifikant zu beeindrucken. Dies führte mit der Zeit und der Ritualisierung zur Ermüdung des Protestpotenzials. Das „Rummgerenne“ mit der Polizei und auch ein paar Sachbeschädigungen im Umfeld der Demos sorgten für ein weiteres Bröckeln des Rückhalts in der Zivilgesellschaft. In den Medien hatte in 2015 der „besorgte Bürger“ wesentlich mehr Resonanz erfahren, als die warnenden Protestierenden.“

Ein*e Anmelder*in der Gegendemonstrationen im Gespräch

Wie sieht es heute aus?

Mittlerweile erreicht PEGIDA keine 25.000 Menschen mehr, man darf froh sein, die 1.000 zu erreichen. Doch es gibt Warnungen: PEGIDA habe mittlerweile sektenhafte Züge. Und genau das kann man jede Woche beobachten. Ritualisiert treffen sich dieselben Menschen, um sich dieselben Reden anzuhören und sich in ihrem Denken zu bestätigen. Die Feindesliste wird länger und länger. Journalist*innen, Politiker*innen, der Islam, Geflüchtete, die Mission Lifeline und auch vor dem sonst gemiedenen Antisemitismus machen die Redner*innen und ihre Anhänger*innen nicht mehr halt.

 Lange Zeit ignoriert, nach über einem Jahr dann doch verboten: Der "Stand für Meinungsfreiheit", an dem regelmäßig der Holokaust geleugnet wurde.
Lange Zeit ignoriert, nach über einem Jahr dann doch verboten: Der „Stand für Meinungsfreiheit“, an dem regelmäßig der Holokaust geleugnet wurde.

Als kleinen „Höhepunkt“ kann man den „Stand für Meinungsfreiheit“ sehen. Hier trafen sich Verschwörungstheoretiker*innen und knallharte Holokaustleugner*innen, auch aus dem Umfeld der rechtsextremen Partei „Die Rechte“ und der verurteilten Holokaustleugnerin Ursula Haverbeck. An dem Stand kam es immer wieder zur Leugnung des Holokaustes. Für die Organisator*innen und Teilnehmenden lediglich ein „in Frage stellen“. Das muss ja noch erlaubt sein. Oder? Für die Dresdner Behörden war lange Zeit klar: Ja, das wird man ja wohl noch dürfen. Trotz mehrerer Durchsuchungen des Standes, wo klar volksverhetzendes Material beschlagnahmt wurde, trotz vielfacher Anzeigen gegen Teilnehmende und Organisator*innen. Die Versammlungsbehörde und einzelne Polizist*innen verteidigten den Stand vehement.

Es dauerte viel zu lange und war der unermüdlichen Arbeit einer kleinen Gruppe Menschen geschuldet, das der Stand in dieser Form untersagt wurde. Die Stadt, die Behörden und die Bevölkerung ignorierten auch dieses Problem.

Zwar versuchte die Partei „Die Rechte“, extra angereist aus Dortmund, diesen nochmal zum Leben zu erwecken, aber scheinbar erfolglos.

Der Gegenprotest gibt nicht auf

PEGIDA bleibt bestehen und radikalisiert sich immer weiter. Die Bewegung, aus denen unter anderem die rechtsterroristische Gruppe „Freital/360“ entstand und wo sich die rechtsradikale „Freie Kameradschaft Dresden“ radikalisiert haben soll, besetzt weiterhin die prominentesten Plätze in Dresden und gibt den Ton an.

Die wenigen Gegendemonstrant*innen fühlen sich vor allem allein gelassen von der Stadt und der Zivilbevölkerung.
Die wenigen Gegendemonstrant*innen fühlen sich vor allem allein gelassen von der Stadt und der Zivilbevölkerung.

Doch auch die wenigen Gegendemonstrant*innen sehen nicht ein, ihre Arbeit aufzugeben. Sie wollen nicht darauf hoffen, dass die Bewegung von selbst verschwindet und auch nicht hinnehmen, dass PEGIDA weiterhin ihren Hass durch die Straßen verteilen kann. Doch Dresden bleibt ein schweres Pflaster, wie auch schon zu den jährlichen Neonazi-Aufmärschen anlässlich des 13. Februars. Aufgrund der fehlenden Zivilgesellschaft kann solchen Gruppierungen und Versammlungen nicht klar gemacht werden, dass sie eben nicht die Mehrheit sind. Und das das wirkt, zeigen die letzten lautstarken Proteste, die vermutlich nun von der Versammlungsbehörde wieder eingeschränkt werden.

Es bleibt wichtig, Hass und Hetze nicht unwidersprochen zu lassen. PEGIDA ist zwar keine Massenbewegung mehr, jedoch extrem gefährlich. Gefährlich für Muslime, für People of Color, für die Menschen des Gegenprotestes, für Klimaaktivist*innen und alle anderen, die offen anders denken als PEGIDA es tut und vorgibt.

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