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Eine Zukunft, für die es sich zu kämpfen lohnt!

In Dresden ist man ein eingespieltes Team. Man kennt sich hier. Versammlungsbehörde, Polizei, Gegenprotest. Man mag sich nicht sonderlich, doch die Zusammenarbeit funktioniert. Erschreckend gut sogar.

Jedes Mal kommt es zu Einschränkungen der Demonstrationsfreiheit des Gegenprotestes. Entweder direkt gegen die angemeldete Veranstaltung oder für Menschen, die spontan ihren Protest auf die Straße tragen wollen. Da hagelt es Beleidigungen, Drohungen und im Zweifel auch Schläge.

Am 14. Juni 2021 war eine Gruppe Jugendlicher in der Dresdner Innenstadt unterwegs. Sie wollten spontan demonstrieren, auf der Seestraße, kurz bevor PEGIDA auf den Altmarkt einlenkt. Keine Blockade, kein Problem? Die Menschen wurden von der Straße gestoßen, die lautstarke Ankündigung, einen Protest anmelden zu wollen, wurde ignoriert. Am Fußweg vor der Altmarkt-Galerie ließ man sie dann doch stehen. Umringt von über einem Dutzend Polizist:innen, teilweise schon mit Helm bereit stehend. Für was eigentlich?

Nie mit dem Rücken zum Gegenprotest – so lautet wohl eine Anweisung bei der Polizei, die in einer Handvoll Gegendemonstrant:innen immer eine größere Gefahr sehen als in sportlichen Neonazis, die regelmäßig Polizist:innen im ganzen Land zusammenschlagen. (Bild: 15.06.2020)

Wie kann es sein, dass in Dresden, einer Stadt die eine braune Geschichte in Sachen Nazi-Aufmärschen hat, solche Sachen immer und immer wieder passieren dürfen? Und das vor allem so reibungslos. Das Meckern finden wir dann in den sozialen Medien, auf Twitter und Facebook. Da wird berechtigt auf die Behörden geschimpft. Aber dann? Man kündigt an, die Zusammenarbeit mit der Versammlungsbehörde, die immer wieder durch eine klar erkennbare Sympathie für PEGIDA negativ auffällt, zu beenden. Man werde sein Recht auf spontanen Protest in Anspruch nehmen, nicht mehr so gemütlich das ganze Spielchen mitspielen. Und dann? Alles beim Alten. Es folgen beim nächsten Protest, der artig angemeldet wird, Einschränkungen. Den Platz bekommen sie nicht, Instrumente oder Boxen werden verboten usw. Wie oft Anwält:innen in Dresden aktiv werden mussten, um der Versammlungsbehörde ihren Job und ihre Handlungsspielräume zu erklären.

Vor Ort sehen wir dann ein Konzept, dass den Gegenprotest klar als gefährlich hinstellt. Der Protest ist eingekesselt von Polizeiwagen, teilweise gibt es als Fluchtweg nur den fließenden Verkehr im Rücken. Die Polizeibeamt:innen stehen um und im Protest, die Versammlungsbehörde bleibt im Schatten des Lautsprecherwagens. Jede noch so kleine Kleinigkeit wird direkt mit der Polizei besprochen und an die Anmelder:innen weitergegeben. Auf Anfrage bei der Versammlungsbehörde betonte man, der Gegenprotest hielte sich selten an die Auflagen, anders als bei PEGIDA. Man zitiert Taufkirch (PEGIDA) in einer Presseanfrage, als sei das das normalste der Welt. Auf die Frage, wieso die Auflagen bei PEGIDA seit 2015 nie kontrolliert, geschweige den durchgesetzt werden, folgt schweigen oder eine genervte Antwort, die mit Vorwürfen an einen selbst geschmückt sind.

Und dann sehen wir die extremsten Beispiele (TW Gewalt):

Jugendliche nehmen von ihrem Recht Gebrauch und werden geschlagen. Da werden die Köpfe der Menschen gegen Laternenstangen geschlagen, ein anderer kommt mir mit einem blutigen Gesicht entgegen. Ein:e Polizist:in schlug ihm ins Gesicht. Ein anderer wird so derbe über den Platz gezogen, dass sein T-Shirt zerreißt. Immer wieder ertönen Schreie der Jugendliche über den Altmarkt. Und in Dresden geht das Leben weiter. Keine Reaktion, keine Konsequenzen. Man beobachtet das Schauspiel, als wäre es nur ein Schauspiel. Eine Handvoll Schauspieler:innen, die eine sehr gute Show abliefern. Eine Story, die es sich lohnt anzuschauen, über die man später reden kann. Weißt du, was ich am Montag gesehen habe? Du wirst es kaum glauben!

Nach dem gewalttätigen Juli 2020 gehen die Opfer selbst auf die Straße: Gegen Polizeigewalt und Repression. Eine Demonstration, die man in Dresden selten sieht.

Glauben tu ich es auch nicht. Denn es folgten keinerlei Konsequenzen nach dem gewalttätigen Sommer 2020, in dem wöchentlich eben diese Szenen zu beobachten waren. Gewalttätige Polizist:innen rennen in Teenager-Gruppen, die nach den Protesten auf dem Altmarkt verweilten. Schlugen auf jede:n ein, auch auf Passant:innen, die zur falschen Zeit am falschen Ort waren. Und dann sind da die Jugendlichen, die einfach beschließen weiterhin auf die Straße zu gehen. Es folgte eine Demonstration gegen Polizeigewalt. Angemeldet durch die Opfer selbst. Solidarität? Vereinzelt. Bei der nächsten Veranstaltung dann wieder eine höfliche Zusammenarbeit mit den Behörden, die einem immer wieder deutlich machen, dass sie sie für minderwertig halten.

Dresden – das hat Struktur, einen festen Weg, aus dem man nicht ausbrechen darf. Weder die Behörden, noch die demokratischen und linken Strukturen. Man weiß schon bevor die Anmelder:innen die Veranstaltung eröffnen, wie der Tag ablaufen wird. Immer dasselbe. Ein stetiger Trott, aber man kommt doch keinen Schritt weiter. Man hat es sich gemütlich gemacht und sich an die Schikanen einfach gewöhnt. Das kämpferische, das sehen wir nur bei den Jugendlichen, die jedes Mal ihre Gesundheit riskieren, weil sie sagen: So geht das nicht!

Diese Jugendlichen, so unkoordiniert sie auch seien, machen mir Hoffnung. Hoffnung für die Stadt und die linke-demokratische Szene. Eine Jugend, die es sich nicht gemütlich macht, die kämpferisch ist und ihre Rechte lautstark einfordern. Eine Jugend, die sich nicht einfach an die rechten Aufmärsche gewöhnen will, für die es nicht genug ist, einfach nur dagegen zu sein. Eine Jugend, die es sich zum Ziel gemacht hat, dass solche rechten Aufmärsche nicht mehr so reibungslos stattfinden. Eine Jugend, die viel mehr Unterstützung und Wertschätzung braucht.

In Dresden ist man ein eingespieltes Team. Doch nicht alle wollen in einem Team sein mit denen, die sie ihrer Rechte berauben wollen und verbal und physisch angreifen. In diesen sehe ich die Zukunft, eine Zukunft, für die es sich zu kämpfen lohnt.

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