DemonstrationDresden

7 Jahre PEGIDA: Über 3.000 Menschen sind dagegen

Es sollte groß werden: PEGIDA kündigte Jürgen Elsässer (Compact Magazin), Heinz-Christian Strache (FPÖ) und den Briten Stephen Yaxley-Lennon (English Defence League) als Stargäste an. Sie sollten die Massen an diesem ruhigen Sonntag mobilisieren. Auf dem Platz standen die ca. 1.200 Menschen dann einem Gegenprotest von über 3.000 Menschen gegenüber.

Die Organisator*innen des Gegenprotestes staunten nicht schlecht: Die Zubringerdemonstrationen füllten die Dresdner Straßen. Über 3.000 Menschen kamen aus der Dresdner-Neustadt und dem Uni-Gelände auf dem Altmarkt an. Hier erwartete sie ein vorbereiteter Platz: Hamburger Gitter teilten alles artig ein und zwischen den Veranstaltungen war ein dreißig Meter breiter Korridor. Der Gegenprotest soll im Verlauf des Tages dann noch einen eigenen Käfig bekommen mit einem offenen Weg. Vor ihnen Hamburger Gitter, links eine Reihe Polizeiwagen, im Rücken der Kulturpalast.

An der Technischen Universität starteten ca. 900 Menschen in Richtung Altmarkt

Und vor ihnen zeigte PEGIDA den Rücken. Denn um dem lautstarken Gegenprotest etwas zu entfließen schallte PEGIDA an ihrem 7. Jahrestag eine Hauswand an. Die Außenwirkung war gleich null. Auf der Bühne versuchte sich Lutz Bachmann an Durchhalteparolen, doch die Revolution blieb auch im 7. Jahr aus. Dafür prüft die Polizei nun mind. zwei Redebeiträge der rassistischen Bewegung.

„Seit 7 Jahren trägt Dresden ein Übel mit sich herum – PEGIDA

Die Auflagen waren klar: Startet PEGIDA, darf der Protest seine Technik nicht mehr nutzen. So nutzte man die halbe Stunde vor Start mit Redebeiträgen. Es wird ein Blick zurück gewagt, sieben Jahre voller Hass und Hetze. Sieben Jahre Gewalt und Drohungen. Aber auch die Strukturen, die sich PEGIDA anschließen oder in PEGIDA gegründet wurden, werden genauer beleuchtet. So zum Beispiel die rechte Kleinstpartei „Freie Sachsen“, die auffällig viel Unterstützung von Kadern der neonazistischen Kleinstpartei „Die Rechte“ aus Dortmund bekommt.

PEGIDA ist der Nährboden, der Brandbeschleuniger, sind die geistigen Brandstifter für andere rassistische, demokratiefeindliche, menschenverachtende Bewegungen bis hin zu rechtem Terror.

Redebeitrag über die Wirkung von PEGIDA auf Rassist*innen, Neonazis und rechte Terrorist*innen

Es folgt der Blick nach außen: Auf die Gewalt gegen People of Color (PoC), gegen Menschen muslimischen Glaubens. Und es geht noch weiter: Am Ende sind wir am Mittelmeer mit der Mission Lifeline, die die Rise Above, Patenkind der Stadt Leipzig, am 17. Oktober 2021 auf ihren Weg geschickt hat, Menschen zu retten. Auch das Anliegen der Seenotrettung wird erneut beworben: Wie viele andere Städte in Deutschland soll auch Dresden endlich ein sicherer Hafen werden.

Mit dem Start von PEGIDA ist Sendepause beim Gegenprotest, auf Wunsch der Versammlungsbehörde. Trotzdem wagt man Zwischeneinwürfe: Menschen werden informiert, was bei PEGIDA passiert, die dem Protest den Rücken zugedreht haben. Es werden Sprechchöre angestimmt und dann wird es laut.

Töpfe, Trommeln, Blockflöten, Ratschen, Trillerpfeifen. Der Kreativität waren keine Grenzen gesetzt. So war der Protest weder zu übersehen noch zu überhören. Da blieben auch mal PEGIDA-Sympathisant*innen staunend stehen, bis man sich schnell räusperte und die üblichen Sprüche klopfte. „Die Schreihälse, haben gar keine Inhalte.“ hört man immer wieder. Schwierig, sagen die Organisator*innen, wenn man keine Redebeiträge mehr halten darf.

Neonazis feierten kräftig mit

Was wäre PEGIDA ohne Neonazis? Von Anfang an, seit sieben Jahren mischen sie mit. Sie stellen Ordner*innen, vertreiben unliebsame Journalist*innen und planen mit Fahrradschlössern bewaffnet auch mal die Jagd auf Jugendliche. So ist es kein Wunder, dass sich die rechtsterroristische Gruppe Freital bei PEGIDA fand und radikalisierte. Schon zum ersten Jahrestag nutzte man die Gunst der Stunde und prügelte auf Journalist*innen ein. Schon 2015 blieb die Polizei zu oft untätig, wenn Menschen angegriffen werden. So verwunderte es nicht, dass damals zwei Streifenbeamt*innen eine Gruppe rechter Hooligans abwehren musste, die eine Familienveranstaltung der „Postplatzkonzerte“ angreifen wollte.

Heute hielten sich die Neonazis am Rand auf. An den Hamburger Gittern wehte kurzzeitig eine Fahne für die Wehrmacht, die Fahnenträger*innen wirkten etwas gelangweilt. Die älteren Neonazis machten es sich am Stand der „Freien Sachsen“ gemütlich, wo der Altersdurchschnitt höher war. Hier beobachtete man auch, wie der Neonazis Sven Liebich eine junge Frau bedrängte. Später warf er ihr Beleidigung und Körperverletzung vor, die Polizei sowie ein Anwalt waren vor Ort.

Kurze Zeit später wurde eine Gruppe von ca. 30 Menschen in einer Seitengasse gestoppt. „Sie verhielten sich auffällig“, so einer der Beamt*innen. Die jungen Neonazis vermummten sich schnell mit dem ersten Klicken der Kameras, während ein*e Beamt*in schnell ein Blatt Papier holen sollte. Die Identitäten wurden festgestellt, danach hieß es ab nach Hause.

Für PEGIDA reisten Neonazis teilweise aus ganz Sachsen an. Gereicht hatte es nicht.

Aufbruchstimmung folgte bei PEGIDA. Ein eher enttäuschter Lutz Bachmann verkündete, dass es im November weiter gehen werde. Mehr dürfe er noch nicht sagen. Die Polizei wirkte überrascht, über das Ende der Veranstaltung. Unkontrolliert schwärmten die PEGIDA-Sympathisant*innen über den Platz und trafen auf der Seestraße auf ein Spalier des Gegenprotestes. Die Polizei hat vergessen, eine Kette zu ziehen und nun zogen die älteren Menschen durch die Masse.

Marcus Fuchs (Querdenken) bedrängt Teilnehmer*innen

Verschiedene rechte Aktivist*innen waren mit Kamera unterwegs. Neben Elijah Tabere, der in den meisten Städten nicht mehr als Journalist anerkannt wird (Anmerkung: gilt nicht für Dresden), filmte auch der Anführer des Dresdner Querdenken-Ablegers Marcus Fuchs die Menschen ab. Direkt ins Gesicht wurde die Kamera teilweise gehalten. Man mimte den Journalisten, den man bei der nächsten Querdenken-Veranstaltung dann den gewaltbereiten Anhänger*innen zum Fraß vorwirft. Die Polizei hatte damit kein Problem. Erst, als ein junger Mensch ihn aufforderte, das Filmen zu unterlassen und ein anderer einen Schirm vor die Kamera hielt, wurde die Polizei aktiv. Die junge Frau wurde rabiat festgenommen, ihre Arme dabei stark verdreht. Wenige Meter weiter spazierten die ersten Neonazis durch die Menge. Dann eskalierte es.

„Irgendwann spürte ich nur noch Tritte gegen die Beine.“

Innerhalb weniger Sekunden wurde die Szene unübersichtlich. Die Polizei prügelte auf die erste Reihe der Menschen ein, die Fäuste flogen. Ich geriet mittenrein. Die Kamera hoch erhoben versuchte ich mir einen Überblick zu verschaffen. Rechts stand ein Neonazi mit Glatze, links Antifaschist*innen. Den Blick nach vorn gerichtet kam der erste Schlag gegen Kamera und Oberarm. Mehrfach rief ich, dass ich zur Presse gehöre, doch ich wurde ignoriert. Stattdessen folgten weitere Schläge, vor allem gegen den linken Arm. Die Kamera habe ich beiseite genommen, damit sie nicht beschädigt wird. Als mich ein*e Beamt*in direkt anschaute, betonte ich erneut, dass ich zur Presse gehöre. Es folgt ein gezielter Schlag in die Schulter, der mir kurzzeitig das Gleichgewicht raubt.

So schnell es eskalierte, so schnell beruhigte es sich wieder, als ein Mensch einen Rauchtopf zündete. Die Polizei zog sich zurück. Aufatmen. Um mich herum stehen junge Menschen, schüttelten mit dem Kopf. „Das war so krass!“ meinten einige. „Was sollte das?!“ riefen andere und forderten Antworten von den schweigsamen Beamt*innen. „Irgendwann spürte ich nur noch Tritte gegen die Beine“, erzählte mir eine Demonstrantin. Die Angst in der Menge zu fallen, war nicht unberechtigt und auch nicht ungefährlich.

Wenige Meter weiter versuchte die Polizei eine Gruppe Neonazis, die zuvor die Menge provozierte, vom Platz zu geleiten. Der Weg durch das Privatgrundstück der Altmarkt Galerie war versperrt. Am Ende ging es durch die Tiefgarage, gefolgt von wütenden Sprüchen der oben stehenden Demonstrierenden. Nun wurde es endgültig ruhiger. Kurzzeitig.

Immer wieder spielte Marcus Fuchs (Querdenken) den seriösen Journalisten. Sogar der Erste Polizeihauptkommissar T. Geithner gab ihm ein Interview. Sein Papierausweis wurde von der Polizei später als Presseausweis anerkannt.

Wenig später griff sich die Polizei einen Menschen raus. Die Menge wurde panisch, wollte hinterher. Die Polizei griff direkt ein, bremste die Menschen teils brutal. Es folgten Fragen, aber Antworten gab es keine. Ein*e Beamt*in wirft dem Menschen Körperverletzung vor, so steht es später in der Pressemitteilung der Polizei.

Die Angriffe auf mich sucht man vergebens. Die Kamera ist heil, der Arm geprellt. Es bleiben Fragen. Vor allem eine: Wie lange geht es noch so weiter in der Landeshauptstadt Dresden? Doch für den Gegenprotest ist es ein kleiner Erfolg.

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