Dresden, deine träge Mitte
Es ist Sonntag in Dresden, wir fahren in die Altstadt um zu sehen, wieviele Menschen an der Demonstration für Frieden und Solidarität mit der Ukraine teilnehmen werden. Aufgerufen haben alle demokratischen Parteien der Stadt, Gewerkschaften und verschiedene Organisationen. Wir sollen positiv überrascht werden. Schon auf dem Weg dorthin ist die Bahn voller als sonst, malen Menschen Schilder fertig. Angekommen ist der Neumarkt gut gefüllt und der Zustrom reißt nicht ab. Am Ende werden die Menschen teilweise bis in die Gassen hinein stehen.
Es gibt Redebeiträge die an Frieden appellieren, Solidarität einfordern, Betroffene kommen zu Wort, berichten über das Geschehen in der Ukraine und in Russland. Die Parteien nutzen die Möglichkeit zum OB Wahlkampf, jede:r Kandidat:in hielt eine salbungsvolle Rede. Der Kandidat der Piraten war nicht geladen zu sprechen. Es ist müßig die Beiträge zu wiederholen, Anklang fanden sie auf dem Platz, was der Applaus belegte. So ging es ja auch um weisse, oft christliche Menschen auf der Flucht. Nur hin und wieder verirrte sich ein einsames „alle Menschen auf der Flucht“ in die Beiträge. Wir schwankten zwischen Ergriffenheit ob der vielen Menschen und Zweifeln ob Dresden es ernst nimmt, es schafft dauerhaft Menschlichkeit zu präsentieren. Es gab angeregte Gespräche auf dem Platz, Diskussionen über die Annektierung der Krim, das Geschehen am Donbas. Viele ukrainische Menschen waren ergriffen, das sie so viel Solidarität erfahren. Es gab Tränen und Menschen die sich im Arm lagen. Bis zum Ende der Veranstaltung blieb der Platz gut gefüllt, die Parteien konnten sich zurück lehnen und die positive Wirkung genießen.
Demonstration der Seebrücke in Dresden, ohne Beteiligung der Parteien
Nur eine Woche später rufen die Menschen der Seebrücke zur Demonstration auf. Eine Vertreter:in trafen wir schon auf der Demonstration der Parteien. Es gab ergriffen die Frage, wo diese Menschen sonst sind. Bekannt dafür nicht locker zu lassen wenn es um Hilfe geht, wurde also geplant und organisiert, Parteien angeschrieben, ob sie sich beteiligen wollen.
Zu guter letzt waren es die Menschen die immer da sind und sich kümmern, die ohne Unterstützung der Parteien die Demonstration organisiert haben. Es ging um die Situation in der Ukraine, um Menschen auf der Flucht. Vor allem jedoch, ging es auch um Ungerechtigkeiten in der Aufnahme geflüchteter Menschen. Es wurde eindrucksvoll darauf hingewiesen, dass viele Menschen derzeit fliehen müssen, viele zurück gelassen werden, klassifiziert in „gute und schlechte Flüchtlinge“, nach Hautfarbe und Religion. An diesem Tag waren ca 1000 Menschen auf dem Neumarkt. Viele aus der Ukraine, viele Menschen die auch sonst sehr aktiv sind bei der Unterstützung geflüchteter Menschen.
Ob es an der fehlenden/kurzfristigen Mobilisierung lag? Wir wissen es nicht. Auffällig war jedoch das es, so typisch für Dresden, kaum Politiker: innen auf den Neumarkt geschafft haben. Der vor einer Woche nicht geladene OB Kandidat der Piraten sprach, für die Grünen Kassem Taher Saleh und der Sprecher der Linksjugend. Die anderen OB Kandidaten? Fehlanzeige. Wir haben uns kurz mit ein paar Menschen aus der Orga unterhalten, und die Erlaubnis bekommen, das Fazit der Seebrücke teilen zu dürfen. Dieses findet ihr im Anschluss. Zusammenfassend bleibt zu sehen, dass es in Dresden offensichtlich ausreicht eine Veranstaltung zu besuchen, während andere große Städte es, auch ohne OB Kandidat: innen zu präsentieren, mehrmals gelingt, die Menschen zur Solidarität aufzurufen. Während in Russland Menschen verhaftet werden die sich solidarisch zeigen, sitzt der Mensch in Dresden auf der Couch und hortet Toilettenpapier.
𝕊𝕠𝕝𝕚𝕕𝕒𝕣𝕚𝕥ä𝕥 𝕞𝕚𝕥 𝕕𝕖𝕟 𝕄𝕖𝕟𝕤𝕔𝕙𝕖𝕟 𝕚𝕟 𝕕𝕖𝕣 𝕌𝕜𝕣𝕒𝕚𝕟𝕖 𝕦𝕟𝕕 𝕒𝕝𝕝𝕖𝕟 𝕄𝕖𝕟𝕤𝕔𝕙𝕖𝕟 𝕒𝕦𝕗 𝕕𝕖𝕣 𝔽𝕝𝕦𝕔𝕙𝕥!
Das war das Motto unserer heutigen Kundgebung. In kürzester Zeit fanden sich 13 wunderbare Menschen. Sie haben den etwa 600 zuhörenden Menschen ihre Gedanken zu Gehör gebracht. Tatjana, aus der Ukraine geflohen und Natalija, die seit vielen Jahren hier lebt, aber noch Familie in der Ukraine hat, haben einfach erzählt, was sie und ihre Familien gerade durchmachen. Dave vom Sächsischen Flüchtlingsrat wies auf die vielen Kriegsherde weltweit hin.Jonas, er ist Krankenpfleger und sprach im Namen des DGB, machte deutlich, dass die Grenzen nicht zwischen Ländern sondern zwischen arm und reich verlaufen. David von der Linksjugend artikulierte die Erschütterung, die dieser Krieg in ihm hervorrief. Dr. Martin Schulte-Wissermann, Stadtrat der Dissidentenfraktion und OB-Kandidat der Piraten fand u.A. Worte dafür, warum uns der Koneflikt in der Ukraine besonders nahe geht und warum das auch in Ordnung ist. Prof. Dr. Kobel, Prorektor der TU Dresden und von Beginn an Unterstützer unseren Kampagne „Dresden zu Sicheren Hafen“ sprach u.a. über das Engagement der Universität für von Krieg betroffene Studierende und Wissenschaftler*innen. Die Freunde Lutz, Studierender der TU und Sascha, geflohen aus Belarus, ließen uns die Geschichte ihrer Freundschaft wissen und auch die Tatsache, dass es völlig unklar ist, ob Sascha bleiben darf. Johanna und Selma, zwei Schülerinnen und Engagierte der Seebrücke bezogen Haltung zum Rassismus an den EU-Außengrenzen und ihrer Fassungslosigkeit darüber. Auch Kassem Taher Saleh, der uns immer unterstützt hat und heute für die Grünen im Bundestag sitzt, fand klare Worte dafür. Der letzte Beitrag kam von Lisa von der Mission LIFELINE, ein beeindruckendes Tagebuch des Engagements an der ukrainisch-slovakischen Grenze. Alle Rednerinnen und Redner waren sind einig: Der Krieg muss sofort ein Ende finden. Alle Menschen auf der Flucht vor Krieg, Not und Verfolgung sind, haben ein Recht auf sichere Fluchtwege sowie ein menschenwürdiges Ankommen und Bleiben. Egal welche Herkunft, Hautfarbe oder Lebensplanung sie haben. Dresden als 298. Sicherer Hafen Europas hat hier Verantwortung. Es ist an uns allen, dass wir dieser gerecht werden und „weltoffen und bunt“ mehr wird, als eine Worthülse. Wir, das waren heute das Rektorat der TU Dresden, der StuRa TU Dresden, das Referat WHAT – StuRa TUD, der DGB Dresden-Oberes Elbtal, die DGB Jugend Sachsen, die Jusos Dresden, die Linksjugend Dresden, die Piratenpartei Dresden, der Sächsischer Flüchtlingsrat e.V., die Mission LIFELINE und die Seebrücke Dresden bedanken uns bei allen, die mit vorbereitet, gesprochen und zugehört haben. Unser Dank geht auch an die beiden jungen Frauen, die mit dem Lied „Sag mir wo die Blumen sind…“ einen unerwarteten und charmanten Schlusspunkt setzten, das Produktionsbüro Dresden für die technische Ausstattung der Veranstaltung und die Frauenkirche Dresden für die Erlaubnis den Strom zu nutzen.