Demonstration

Täter:innenspurenmahngang 2021: Mahnen in Zeiten der Pandemie

Momentan ist alles anders: So auch der jährliche Täter:innenspurenmahngang von Dresden Nazifrei. Dieser fand, aufgrund der Corona-Pandemie, online statt. An fünf Stationen in der Dresdner Innenstadt wurden Redebeiträge verlesen und live auf YouTube übertragen.

Unter dem diesjährigen Thema „Volksgemeinschaft“ besuchten die Initiator:innen Orte in Dresden, die für Massenveranstaltungen genutzt wurden, um dieses Konzept zu propagieren. Gleichzeitig mahnen sie, dass „praktische Solidarität und Mitmenschlichkeit niemals zu Gunsten irgendwelcher „höheren Ziele“ geopfert werden dürfen.“ An den einzelnen Stationen nahmen mit Abstand zwischen 10 und 20 Menschen teil, die den Redebeiträgen lauschten.

An fünf Stationen in der Dresdner Innenstadt zeigten die Initiator:innen auf, dass Dresden keine „unschuldige Kulturstadt“ im „Dritten Reich“ war.

Der Mahngang startete am Wettiner Platz. Hier befand sich das „Volkshaus“, sowie das Verlagsgebäude der sozialdemokratischen „Dresdner Volkszeitung“. 1933 wurde das Gebäude auf Befehl durch SA und Polizei geräumt. Kurz danach brannten vor dem Gebäude Fyler, Plakate, Bücher, Broschüren, Akten und Fahnen der Sozialdemokraten. Das Gebäude wurde übernommen, Hakenkreuzfahnen gehisst. Die SPD sollte als Alternative zum Nationalsozialismus ausgeschaltet werden und ihre Mitglieder:innen als „Volksschädlinge“ deklariert werden. Die Räumung selbst war öffentlichkeitswirksam inszeniert, die Dresdner Bürger:innen konnten sich direkt in der 1. Reihe platzieren und das „Spektakel“ beobachten. Der 07. März 1933 markiert die erste Bücherverbrennung in Deutschland.

„Unser Volkskanzler war kürzlich zur ‚Reichstheaterwoche‘ in Dresden. Auf mehrere Tage. Vorschriftsmäßig hingen die ganze Woche über Wälder von Hakenkreuzfahnen in den Straßen, brachten die Zeitungen Artikel: ‚Das Erlebnis von Dresden‘ und so. Und: der Jubel der Hunderttausende und so. Aber die SA, soweit sie nicht aufmarschiert war, lag ständig in Bereitschaft, […] und der Führer erschien, verschwand, bewegte sich, schlief immerfort anderwärts und zu anderer Stunde, als offiziell angegeben war. Wie der Zar, wie ein Sultan und noch angstvoller“. Viktor Klemperer in seinem Tagebuch am 13. Juni 1934

Auf dem Theaterplatz, der zu der Zeit „Adolf-Hitler-Platz“ hieß, fand am 28. Mai 1934 die „Reichstheaterwoche“ statt. Die Platz wurde mit Hakenkreuzflaggen „geschmückt“ und Adolf Hitler selbst besuchte die Stadt. Ziel war es, die Ideologie der Nationalsozialist:innen auch in der Welt des Theaters zu manifestieren. Es folgte die Gleichschaltung der Theater- und Kunstwelt. „Vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte müssen die Grundrechte der Menschen in einem demokratischen Staat besonders geschützt werden. Die Kunst-und Pressefreiheit sind in einer Gesellschaft mit unterschiedlichen Lebenswelten zentral. Diversität ist hier erwünscht und notwendig. […] Die Verteidigung dieser Werte vor demokratiefeindlichen Entwicklungen verlangt auch in Zukunft ein verantwortungsvolles und pflichtbewusstes Handeln.“

Eine Handvoll Menschen lauscht auf dem Theaterplatz einen Redebeitrag zu den „Reichstheaterwochen“ und der Gleichschaltung der Kultur in Dresden und Deutschland.

Im „Heimatwerk Sachsen“ am Schlossplatz wurden die Sachsen als „die perfekte Blutsmischung des Deutschen“ inszeniert und mithilfe der sächsischen Geschichte sollte dies untermauert werden. Mithilfe des Volkstums sollten die Sachsen stärker an ihre Heimat gebunden werden, so gab es vielzählige Ausstellungen zwischen 1936 und dem Ende des Krieges. Über solche Heimatvereine näherten sich die Menschen so dem Nationalsozialismus an und integrierten sich selbst in diesem.

Der Mahngang endete an der Synagoge. Hier stand bis November 1938 die Alte Synagoge, entworfen vom Architekten Gottfried Semper. Diese war der einzige Rückzugsort der jüdischen Menschen Dresdens, in einer Stadt, die sie ausgrenzt und demütigt. Am 10. November 1938 ging diese in Flammen auf. Vor den Ruinen sammelten sich am nächsten Tag bis zu 2.000 Dresdner:innen, die grölend und jubelnd die Zerstörung feierten.

„In Dresden hatten die Nationalsozialisten ihr Ziel erreicht: Jüdinnen und Juden waren aus der Gesellschaft ausgeschlossen und somit möglichst stark von der „Volksgemeinschaft“ entfernt worden. Die Maßnahmen, die nun folgten, zielten nicht mehr auf die Verdrängung der jüdischen Bevölkerung ab. Jetzt sollte die letzte Stufe im Vernichtungsprozess beginnen. Nach und nach wurden immer mehr Menschen deportiert und in Konzentrationslager gesperrt, gequält und ermordet.“ Aus dem Redebeitrag von Dresden Nazifrei

Die Veranstaltung wurde von einem größeren Aufgebot der Polizei Sachsen begleitet. Sechs bis acht Einsatzwagen schickte die Polizei zur Bewachung, darunter ein Kamerawagen, der offenbar jede Station widerrechtlich abfilmte. Scheinbar rechneten die Beamt:innen mit größeren Szenen, zu denen es bei den Täter:innenspurenmahngang jedoch nie kam. Die Initiator:innen zeigen sich verwundert über diese Behandlung und wollen dem nachgehen.

Die Initiator:innen verabschiedeten sich mit einem Verweis auf den 13. Februar 2021 und den geplanten rechten Veranstaltungen in Dresden: „Am 13.02., dem kommendem Samstag werden sich rückwärtsgewandte, rechte Ideologien verbreitende Menschen Stimme und Platz in der Stadt verschaffen werden wollen. Die Gesetze unseres Landes lassen dies zu. Wir werden Mittel und Wege finden, dem laut und deutlich zu widersprechen. Darüber halten wir Sie/ euch auf der Internetseite und über die üblichen Kanäle auf dem Laufenden.“

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