DemonstrationDresden

Auflagen als nettes Accessoire: „Querdenken“ und PEGIDA missachten erneut Auflagen. Polizei schaut weg.

In den letzten Wochen wiederholt man sich. Irgendwo in Deutschland geht „Querdenken“ oder andere rechte Gruppierungen auf die Straße und nicht unweit davon stehen Polizist:innen, die bei Auflagenverstöße und auch Gewalt alle Augen zu drücken. Das ist nicht erst seit der Corona-Pandemie so. Nun trifft es jedoch jeden von uns. Den „Querdenker“, den PEGIDA-Fanatiker, den spazierenden Menschen oder die Beamt:innen im Einsatz.

PEGIDA am 22. März ohne Abstände? Laut Polizei habe sich PEGIDA und „Querdenken“ vorbildlich an die Abstandsregelungen gehalten.

Selbiges konnten wir gestern Abend beobachten: Am 22. März trafen sich 500 „Querdenker:innen“ auf dem Altmarkt der Stadt Dresden. Wie schon in den letzten Woche entschied sich die Polizei, die Versammlungsflächen einzugittern. So kamen wir also auf den Platz, der einmal ringsherum eingegittert war. Ziemlich viel Platz für Gruppen, die Auflagen als nettes Accessoire betrachten. Der Gegenprotest musste sich wieder mit dem Platz an der Straße zufrieden geben.

Stadt Dresden verbietet Fahrradkorso mit fadenscheinigen Begründungen

Man könne sich durch die sportliche Aktivität leichter anstecken. So lautet die ungefähre Begründung der Stadt, wieso ein geplanter Fahrradkorso vom Gegenprotest nicht stattfinden darf. Die Gründe sind wohl andere. Ein schwer zu kontrollierender Gegenprotest ist der Stadt ein Dorn im Auge. Auch Fahrradkorsos von anderen Gruppierungen wurden in der Vergangenheit immer wieder durch Stadt und Polizei diskriminiert. Gerade aber nach den immer wiederkehrenden Auflagenverstößen und der bewiesenen Tatsache, dass „Querdenken“ ein Infektionstreiber ist, ist dieses Verbot an Lächerlichkeit und Parteilichkeit nicht zu überbieten.

Die etwas eigenwillige Rechtsauffassung der Versammlungsbehörde in Dresden sind ebenso großspurig wie die kontrafaktischen Behauptungen zum Infektionsgeschehen. Man kann sogar sagen, dass Dresden so ist, sei auch ein Verdienst dieser Behörde, die zuverlässig seit mittlerweile sieben Jahren, Nationalisten den roten Teppich ausrollt und demokratischen Gegenprotest, euphemistisch formuliert, „beauflagt“.

Jürgen Kasek, Rechtsanwalt

Wir erinnern uns: Im letzten Jahr durfte „Querdenken“ verbotenerweise jede Woche durch Dresden laufen. Weder Polizei noch Versammlungsbehörde sahen Grund, dagegen einzuschreiten. Lediglich der Gegenprotest wurde jede Woche versucht zu verhindern. Ähnliche Bilder hatten wir am 20. März in Kassel, wo die Polizei gewalttätig gegen die Blockaden vorging, die lediglich den Job der Polizei übernahmen und den illegalen Aufmarsch stoppen wollten. Aber auch für Dresden waren das keine neuen Bilder, wie wir am 13. März feststellen mussten. Hier randalierte „Querdenken“ in der Dresdner Innenstadt und griff dabei Polizeibeamt:innen und Journalist:innen teils massiv an. Konsequenzen gab es keine für diese Bewegung.

Im späteren Verlauf stellte sich heraus, dass die Polizei auf der Altmarkt Galerie Kameras genutzt haben, um den Gegenprotest abzufilmen. Laut der Gruppe „Nationalismus raus aus den Köpfen“ war das Ergebnis: „Querdenken“ und PEGIDA haben sich vorbildlich an die Abstandsauflagen gehalten. Lediglich der Gegenprotest soll diese Auflagen missachtet haben. Es stellt sich die Frage, wieso die Polizei so fern der Realität steht und inwieweit der Kameraeinsatz überhaupt legal war.

„Querdenken“ und PEGIDA beschallen die Innenstadt – Boxen des Gegenprotestes zu laut?

Es folgten die üblichen Beschwerden durch die Stadt: Der Gegenprotest würde zu laut sein. Immerhin höre man ihn über an halben Platz. „Querdenken“ war mit ca. fünf Boxen vor Ort und beschallte die ganze Innenstadt in einer teilweise unangenehmen Lautstärke. PEGIDA setzte dem im Nachgang noch eins drauf. Trotzdem sehen die Behörden auch hier wieder nur das Problem im Gegenprotest.

Während die Polizei also nette Witze mit „Querdenken“ riss, ihr Bedauern über die Auflagen teilten und sich in der „Querdenken“-Kundgebung scheinbar wie Zuhause fühlten, machten die Beamt:innen beim Gegenprotest Witze: „Haha, das sind nur 25. Konnte ich sogar mit der Hand zählen!“, „Die haben doch eh alle ’n Klappmesser einstecken!“ Neutralität bei der Polizei Sachsen sucht man schon seit langem vergeblich.

Dresden – kein Einzelfall

Die Infektionszahlen rasen weiter nach oben. Immer mehr Menschen stecken sich an, viele erleiden Folgeschäden und/oder verlieren Angehörige. Die Bundesregierung und die Ministerpräsident:innen schreiten nicht ein. Die CDU verwickelt sich weiter in Korruptionsskandale und auf den Straßen ist ein gewaltbereiter Mob von „Querdenken“ unterwegs. Der Osten Deutschlands ist dabei kein Einzelfall. In ganz Deutschland nutzen demokratiefeindliche Kräfte die aktuelle Situation, werben Anhänger:innen an, schmieden Pläne und tragen ihren Kampf auf die Straße. Ein Kampf, dem kaum jemand etwas entgegenstellt. Die deutsche Polizei zeigt sich kooperativ mit diesen Menschen. Man grüßt sich, zeigt Herzchen, schaut weg und prügelt auf Wunsch auch auf Menschen ein, die „Querdenken“ kritisieren und ihnen etwas entgegen setzen.

Was wir aktuell in Deutschland beobachten ist besorgniserregend. Es werden Umsturzfantasien geteilt, während Polizist:innen Waffen „verlieren“. Auf der Straße werden ganz offen Angriffe angekündigt und die Bevölkerung zeigt sich schockiert, wenn die Gewalt folgt. Politiker:innen aller Parteien kämpfen mit Skandalen und/oder stecken mitten im Wahlkampf. Die AfD und andere rechte Kleinstparteien schließen sich „Querdenken“ an und tragen ihr Denken in die Parlament, ja sogar „Querdenken“ selbst, wie die AfD im letzten Jahr.

Der Gegenprotest ist der Stadt ein Dorn im Auge: Jede Woche werden neue Gründe gesucht, diesen kleinen und doch so wichtigen Protest zu kriminalisieren.

Dresden, nein, Sachsen zeigt sich hier wieder als eines der extremeren Beispiele. Hier trifft „Querdenken“ auf eine politikverdrossene Gesellschaft, die unter CDU-Herrschaft lernte, dass linke-demokratische Proteste im Zweifel mit Gefängnisstrafen enden. Man ist offen für Sprüche gegen „die da oben“ und sieht in Aktionen gegen Hass und Hetze nur Zeitverschwendung. Der kleine Teil der sächsischen Bevölkerung, der, der aktiv ist und aufsteht, wird kriminalisiert und im Stich gelassen. Kriminalisiert durch die Landesregierung, Stadtverwaltungen, die sächsische Polizei und die Medienlandschaft, die jeden Protest in Leipzig-Connewitz zu einem Bürgerkrieg erklärt. Die Menschen werden im Stich gelassen von der Zivilgesellschaft, der Parteien links der CDU und viel zu oft auch von „den eigenen“ Leuten.

Sachsen – oder soll man es lassen?

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