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Kommentar: Über Gewalt und Repression auf Demonstrationen

Eine Warnung vorab: In diesem Beitrag wird Gewalt und einzelne Situationen thematisiert.

Für eine Demonstration wurde ich gebeten, einen Redebeitrag beizusteuern. Diesen möchte ich nun hier mit euch teilen. Er ist in Teilen verkürzt, in anderen etwas erweitert.

Damals als Demonstrantin und heute als Journalistin wurde ich durch Städte gejagt, die ich davor nie wirklich besucht habe, ich wurde bedroht und verfolgt. Auch mir wurde als Kind Respekt gegenüber Polizist:innen beigebracht. Respekt vor denen, die mich verachten, die mich schlagen, die mir schlimmeres als einen blauen Fleck zufügen wollen. Mein Presseausweis wurde weggeworfen, nach meiner Kamera wurde geschlagen, ich spürte die Tonfa in meinen Rippen, als ich einem bewusstlosen Beamten helfen wollte. Ich beobachtete Gewalt gegen Demonstrant:innen, die teilweise bewusstlos über Straßen gezerrt wurden, die mir mit blutigem Gesicht entgegenliefen. Ich hörte die flehenden Bitten der Demonstrant:innen, dass ich doch irgendetwas tun müsse. Und ich sehe die Leugnung der Gewalt, ich sehe Erklärungen, wieso all das gerechtfertigt sei. Es ist ein Mensch, der da zusammengetreten wird, was gibt es da für eine Erklärung?

Februar 2018: Ein Mensch wird an Armen und Beinen von Polizist:innen über die Straße gezerrt.

Repressionen, das ist wenn der Protest von vornherein so weit es geht eingeschränkt wird. Wenn Anmelder:innen dafür kämpfen müssen, dass Menschen Gebrauch von ihren Grundrechten machen dürfen. Repressionen, das ist der Moment, wo die Polizei die noch fehlenden Menschen aus der Masse zieht, um ihre Bilderalben zu erweitern. Die Person fehlt uns noch, die nehmen wir uns und wir zerren sie mit uns in eine dunkle Gasse. Dort steht der Mensch dann, an der Wand, mit erhobenen Armen. Diese darf er nicht absenken, sonst schallt ein Befehl durch die Straßen, dass die Arme gefälligst oben bleiben.

Repressionen und Gewalt, das sind die Mittel der Behörden, um Menschen davon abzuhalten, auf die Straße zu gehen. Sie sollen Angst haben. Angst vor Anzeigen, vor Verletzungen, vor schlimmerem. Hilft die Angst nicht, sollen Traumata den Rest erledigen. Panik, wenn sich die Polizei nähert, auch das begleitete mich viele Monate, nachdem ein:e Beamt:in versuchte, mir in die Kehle zu schlagen. Ein Schlag, der mich hätte töten können.

Bewegtbilder vom Februar 2019

Das Repression und Gewalt ein akzeptiertes Mittel in unserer Gesellschaft ist, ist ein fatales Zeichen. Wir lehnen Gewalt ab, betonen, wir seien friedlich, und dann freuen wir uns, wenn der Mensch mit dem Tuch vor dem Gesicht regungslos auf der Straße liegt. Wieso verdeckt er auch sein Gesicht? Blockaden sind sowieso illegal! Was hat der Mensch eigentlich vor dem Video gemacht?! Selber Schuld! Weiter zum Tagesgeschäft.

Ist die Gewalt so groß, dass sie nicht mehr einfach so mit einer Hand beiseite geschlagen werden kann, dann sind wir schockiert. Woher kommt die Gewalt? Wieso ist die Polizei so? Wir fordern Konsequenzen. Für zwei Tage. Vielleicht auch eine Woche. Weiter zum Tagesgeschäft.

Konsequenzen? Ein weiteres Polizeigesetz, durchgeprügelt von CDU und SPD. Mehr Macht, mehr Waffen, mehr Repression, mehr Gewalt. Überall Polizei, nirgendwo Gerechtigkeit.

Währenddessen gehen die Menschen weiter auf die Straße. Sie erleben weiterhin Repressalien und Gewalt. Dabei geht die Polizei mit Neonazis Hand in Hand. Und die Zivilgesellschaft schlägt mit, durch schweigen, durch wegschauen, durch leugnen, durch Rechtfertigung.

Wir kennen die Namen der vielen Opfer von Gewalt und Repression nicht. Wir kennen einzelne, die, die es besonders hart traf. Wir kennen Tim H., wir kennen Lina E, wir kennen Ella, wir kennen die Menschen, die in Leipzig wegen einer angemeldeten Kundgebung inhaftiert und ihnen unter Zwang DNA-Proben entnommen werden. Wir haben vielleicht das Gefühl, es trifft nur „die anderen“. Doch es kann jede:n treffen. Demonstrant:in, Passant:in, Journalist:in. Und deswegen müssen wir alle aufstehen. Aufstehen gegen Gewalt, gegen Repression. Egal ob in Dresden, im Danneröder Forst oder in einem Dorf, dessen Name wir noch gar nicht kennen.

Solidarität muss praktisch werden!

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