DemonstrationDresden

Sachsen, Proteste und Veränderungen

In den letzten zwei Wochen gab es in Sachsen Veränderungen, was die Proteste, deren Begleitung durch die Presse und den Umgang durch die Polizei betrifft. Gab es am 24.01. noch massive Angriffe auf berichtenden Personen, fehlte oft der Einsatz der Exekutive, gab es am Sonntag darauf ein völlig anderes Bild zu verzeichnen. Die nicht angezeigten Demonstrationen am 24.01. wurden nur punktuell begleitet, während ab Sonntag, eine relativ hohe Polizeipräsenz zu verzeichnen war.

Demonstration vor der Polizei Sachsen
Demonstration vor der Polizei Sachsen

Auf Nachfrage gab es Schutz für Journalist: innen, welcher auch die Möglichkeit der Berichterstattung zuließ. Der Montag darauf war gezeichnet durch Protest von Antifaschist: innen. Auf deren Bitte begleiteten wir die Menschen durch die gesamte Innenstadt. Es gab an vielen Stellen wirkungsvollen Protest, auf der Seestrasse eine Blockade. Die Polizei war erstaunlich kooperativ mit den anzeigenden Menschen und schützte deren Veranstaltung so gut es möglich war. Erstaunlich bleibt, dass selbst die Blockade geschützt worden ist und erkennbar war, dass die Gefahr von der marschierenden Horde ausging. Die Beamt: innen standen mit Blick auf Querdenker und filmten diese ab. Auch am Ende des Aufzuges gab es zwei angezeigte Kundgebungen gegen die Querdenker. Beide abgesichert durch die Polizei. Ein Querdenker wurde ED behandelt, möglicherweise, da er auf der Seestrasse den Hitlergruss gezeigt hat. Zusammenfassend bleibt zu sagen, dass zumindest momentan ein anderer Umgang mit demokratischen Protesten und Presse möglich ist und umgesetzt wird. Optimistisch stimmt das erst einmal nur bedingt, da wir aus Sachsen berichten. Erfreulich wäre es tatsächlich, wenn endlich ein Umdenken in den Behörden stattfinden würde.

Die Polizei Sachsen stellte sich dieses mal schützend um die Gegendemonstranten
Die Polizei Sachsen stellte sich dieses mal schützend um die Gegendemonstranten

Um die Gewalt die es noch vor einer Woche zu verzeichnen gab, hier zwei Berichte betroffener Menschen. Der erste ist das Gedächtnisprotokoll von einem jungen Menschen, der massiv in Striesen geschlagen worden ist:

Gedächtnisprotokoll 24.1.
Habe mit einer befreundeten Person die Coronademonstration in Dresden Striesen begleitet. Ca. 19 Uhr an der Schandauer Straße Höhe Behrischstrase kamen aus der Demo auf der anderen Straßenseite 4 Personen mit teils Bier in der Hand zu uns rüber auf die andere Straßenseite. Sie kamen nah heran und meinten wir sollten nach links in die Seitenstraße gehen. Die befreundete Person ging nach links und wurde verfolgt, ich blieb auf der beleuchteten Schandauer Straße. Ich lief ein Stück weiter während ein großer Typ in grauer Jacke mich verfolgte. In dem Moment begann ich zu filmen und er drehte ab, vermummte sich, stellte das Bier ab und kam erneut auf mich zu. Ich bin mit dem Fahrrad in der Hand rückwärts gelaufen, hab mein Handy weggepackt. Ein paar Sekunden später hat er mit der linken Faust gegen meine Schläfe geschlagen und ich bin zu Boden gegangen. Er ist dann mit seinen „Freunden“ Behrischstrase gelaufen. Ich hab noch eine Minute auf dem Gehweg gelegen, bin dann aber nach Hause gefahren. Hab jetzt eine geschwollene linke Gesichtshälfte und Kopfschmerzen.

Der zweite stammt von den Kolleg: innen von vue critique

Glasflaschen und Pfefferspray in der Luft – Querdenken Demo in Coswig Sachsen

Seit mehreren Wochen versammeln sich in Coswig bei Dresden in Sachsen jeden Montagabend mehrere hundert Personen, um gegen die Corona-Maßnahmen zu demonstrieren. Selten ist in der Kleinstadt Polizei vor Ort und noch seltener wird über diese Aufmärsche berichtete. Einer der Gründe dem Städtchen am vergangenen Montag einen Besuch abzustatten und ein Auge auf das Protestgeschehen im Ort zuwerfen. Gegen 18:00 Uhr versammelten sich auch diesen Montag ca. 400 Personen auf der Hauptstraße in Coswig. Wenige Minuten später setzte sich der Demonstrationszug in Bewegung. Einige der Demonstrant*innen wurden sehr schnell auf uns aufmerksam und begannen uns zunächst verbal zu attackieren.

Wir liefen auf der gegenüberliegenden Straßenseite, um einen Überblick zu bekommen. Nach wenigen Metern begannen wir mit unserer Arbeit und fertigten erste Bild- und Videoaufnahmen an. Doch bevor wir den Auslöser der Kamera ein zweites Mal drücken konnten, wechselten die ersten Demonstranten auf unsere Straßenseite und forderten uns auf, unsere Berichterstattung zu beenden. Unser Begleitschutz musste ein erstes Mal eingreifen, um einen körperlichen Angriff durch die Männer zu verhindern. Dabei gerieten sie selbst in den Fokus der Personen, von denen mindestens einer, die auf Demonstrationen verbotene, Quarzhandschuhe trug. Ein Mann versuchte die Begleitschützer*innen mit der Faust zu schlage, was ihm jedoch nicht wirklich gelang.

Wir stellten unsere Arbeit ein und gingen einige Meter weiter. Intern hatten wir zu diesem Zeitpunkt bereits beschlossen, dass es zu gefährlich werden würde, den Aufmarsch auch in die kleinen Nebenstraßen zu begleiten. Ein nahegelegener Kreisverkehr schien uns die letzte Möglichkeit von der Demonstration zu berichten. Wir positionierten uns etwa zehn Meter von der Menschenmenge entfernt und wollten unsere Arbeit ein letztes Mal aufnehmen, doch sofort wechselten sechs Männer – zum Teil vermummt und mit Glasflaschen in den Händen – auf unsere Straßenseite. Sie bildeten ein Halbkreis und bauten ein Bedrohungsszenario auf. Auf zahlreiche Beleidigungen folgten Schubser und Tritte gegen unseren Begleitschutz, sodass der Einsatz von Pfefferspray die einzige Möglichkeit schien aus der Situation zu entkommen. Doch nicht einmal das Pfefferspray schien die Männer davon abzuhalten, uns weiterhin anzugreifen. Aus nur drei Metern Entfernung warf ein Mann eine volle Bierflasche, die den Kopf eines Begleitschützers nur knapp verfehlte. Die Bierflasche zischte an uns vorbei und flog gegen die Mauer des angrenzenden Grundstückes. Die Scherben trafen einen anderen Journalisten, welcher glücklicherweise unverletzt blieb. Der Inhalt der Flasche spritzte auch gegen unsere Kleidung und ergab mit dem in der Luft liegenden Pfefferspray einen unangenehmen beißenden Geruch.

Die Angreifer ließen nun von uns ab. Wir nutzten den Moment, um wieder zum Auto zu kommen. Erschreckend schien uns neben der Aggressivität der Männser, dass niemand der mehreren hundert Teilnehmer*innen ernsthaft etwas dagegen unternehmen wollte. Nur wenige Meter liefen Familien mit kleinen Kindern – auch die Eltern schauten nur belustig zu und grölten auf unserem Rückweg einige Beleidigungen.

Skurril: am Ende des Aufmarsches verteilten einige Personen das Grundgesetzes, während weiter vorne Artikel 5 genau dieses Textes mit Füßen getreten bzw. mit Flaschen beworfen wurde. Am Auto angekommen, hieß es erstmal Augen auswaschen – bei der Flucht mussten wir alle einmal durch die Pfefferspray-Wolke laufen. Danach schnell ins Auto und ab nach Radebeul – hier sollte in wenigen Minuten die nächste verschwörungsideologische Demonstration beginnen.

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