„Ich hoffe auf die Demokratie!“
Shoah-Überlebende Henny Brenner in Dresden
„Der Bombardierung verdanke ich mein Leben!“
Mit diesem Zitat beginnt der Moderator und Autor Michael G. Fritz die Veranstaltung in der Zentralbibliothek Dresden. Der Saal ist gut gefüllt und als die 94-jährige Henny den Saal betritt erschallt Applaus.
Nun erzählt sie von ihrem Leben:
Henny Brenner ist im Jahr 1924 geboren und lebte bis zu ihrer Flucht nach Berlin in Dresden, genauer genommen auf der Mendelsohn Allee 7 in Dresden-Blasewitz. Als in diesem Stadtteil keine Juden mehr Leben durften musste ihre Familie umziehen.
Henny Brenners Eltern lebten in einer sogenannten „Mischehe“: Der Vater Protestant, die Mutter Jüdin. Bis die Nationalsozialist*innenen die Macht übernahmen spielte Religion kaum eine Rolle. „Wir hatten alle einen Gott“, erzählte sie und beschrieb ihre im Grunde glückliche Kindheit. Ihrer Jugend wurde sie jedoch beraubt.
Mit 16 Jahren musste sie das erste Mal Zwangsarbeit im Zeiss-Ikon-Goehlewerk leisten. 70 Pfennig die Stunde, „wir waren ja Sklaven!“ Die 7 1/2 Kilometer von Zuhause bis zum unfreiwilligen Arbeitsplatz musste die Jugendliche jeden Tag, dreieinhalb Jahre lang, zu Fuß zurücklegen. Die Nutzung von Straßenbahn oder Bus waren ihr verboten. Das alles, so Henny, war aber auszuhalten. Sie war Zuhause und bei ihrer Familie.
Mit dem Judenstern begann der Spießrutenlauf
Als sie und ihre Mutter verpflichtet waren den gelben Stern zu tragen, brach für die Familie eine Welt zusammen. Die Mutter verließ nicht mehr die Wohnung und Henny wurde von ganzen Schulklassen gejagt. Sie riefen „Judenschwein!“ und auch die Erwachsenen jagten sie vom Bürgersteig. Sie erzählte, als sie einmal mit dem Rad fuhr und fiel, dass ihr ein Soldat helfen wollte. Als er aber ihren Stern entdeckte, ließ er sie einfach fallen. Henny ist sich sicher: Die Kinder die sie jagten sind unschuldig. Schuld waren die Schulen und Lehrer*innen, die den Kindern dieses Gedankengut einimpften.
Aber es gab auch Solidarisierungen, leise und heimlich. Doch viel zu wenige halfen und viele machten einfach mit. „Es hätte umgekehrt sein müssen!“, stellt Henny traurig fest. Auch Freunde und Geschäfte, in denen sie gute Kunden waren, halfen der Familie. Ohne diese Hilfe wären sie vermutlich verhungert.
„Sie haben uns beobachtet!“
Als Henny anfing von der Gestapo zu reden, erkennt das Publikum sofort, dass sie am meisten Angst vor den Männern in schwarzen Mänteln hatte. In Dresden war diese Geheime Staatspolizei am grausamsten. Sie erzählte, wie sie eines Tages beobachten konnte, wie ein Mann mitten auf der Straße in ein Auto geholt wurde. Später erfuhr sie von der Ehefrau, dass sie ihren Mann im Keller eines Hotels hinterm Bahnhof, wo die Gestapo einquartiert war, ermordet hatten. Das war das Schicksal vieler Dresdner Jüd*innen.
Nach dem Krieg sind viele Gestapo-Leute untergetaucht oder konnten einfach weiter machen. „Sie waren ja kein Nazis!„ hieß es immer wieder. Ein Fakt, den Henny immer noch wütend macht.
Auch, dass niemand von der Judenverfolgung gewusst hätte, ist für Henny eine Lüge: „Es soll mir niemand sagen, sie hätten von nichts gewusst!“ Sie berichtete, dass es Zeitungsartikel, Filme und Radiosendungen über dieses Thema gab.
„Sie sollten oben verbrennen!“ – Die Bombennacht ’45
Als der Brief für ihre Deportation kam war sich die Familie schnell einig: Sie werden nicht in ein Konzentrationslager gehen. Der Vater hörte zu dieser Zeit bei einer Gruppe Menschen den verbotenen BBC Sender. Dieser warnte die Bevölkerung, dass es zu einem Angriff kommen würde. Dieser kam dann auch am 13./14. Februar 1945.
Henny Brenner erinnert sich mit Schrecken an diese Nacht, an dieses „Inferno“. Sie möchte nicht über die zerstörte Stadt sprechen, die für sie immer einer der schönsten war. Doch sie überlebten dank dieser und dank einem Nachbarn, der sie geradezu genötigt hat, mit in den Luftschutzkeller zu gehen. Dieser war für Jüd*innen eigentlich verboten.
Ein Satz ihres Vaters konnte Henny nie vergessen. Als die Frage aufkam, wie man der Deportation entkommen könnte, stand kurzzeitig der Gedanke des Untertauchens im Raum. Der Vater entschied sich aber für den Angriff mit den Worten: „Lieber eine Bombe auf den Kopf, als in ein KZ!“
Auch nach der Bombardierung und der vollständigen Zerstörung Dresdens jagte die Gestapo die Juden weiter. Der Moderator nennt Zahlen: Von 5.000-6.000 Jüd*innen, die in Dresden lebten, gab es 1945 noch 41.
„Ich hoffe auf die Demokratie!“
Als das Gespräch zur heutigen Zeit und zum aufkeimenden Antisemitismus kommt, reagiert Henny Brenner optimistisch. Sie vertraut auf die Demokratie und wendet sich an die Jugend, die zahlreich im Saal vertreten war: „Ich hoffe auf die Demokratie, aber sie kommt nicht von allein. Ihr müsst sie euch erkämpfen!“
Nun folgten Fragen des Publikums. Der Moderator gab diese an Henny weiter, deren Gehör nicht mehr so wollte wie sie. Leider tat sich besagter Moderator nun negativ hervor: Er filterte unangenehme Fragen des Publikums. So wurden Fragen zu PEGIDA oder der Art des Gedenkens an die Bombennacht einfach übergangen.
Außerdem ließ er oft unangebrachte Bemerkungen fallen und bevormundete Henny Brenner immer wieder.
Hitzige Diskussionen nach der Veranstaltung
Schon während der Lesung fiel vielen Menschen die Tüte der Buchhandlung BuchHaus Loschwitz auf. Nach der Veranstaltung zeigten sich viele schockiert, als sie den Büchertisch sahen, den die Buchhandlung zur Verfügung stellte. Diese Buchhandlung von Susanne Dagen fiel in jüngster Vergangenheit negativ auf: Sie zeigte sich enttäuscht bis wütend, dass es Proteste und auch Aufruf zu Protesten gegen rechte bis rechtsradikale Verlage auf der Buchmesse 2017 gab. Sie zeigt sich solidarisch mit diesen Verlagen und rief eine Petition, die „Charta 2017“, ins Leben. Diese erntete scharfe Kritik bis hin zu purem Entsetzen, aber auch Zustimmung.
Susanne Dagen sympathisiert nach eigenen Aussagen mit PEGIDA, die in den letzten Wochen immer antisemitischer daherkommt. „[…] [I]ch bin interessiert daran, zu hören, was Pegida zu sagen hat. Wenn die differenzierte Auseinandersetzung und das redliche Interesse an Pegida als Pegida-nah bezeichnet werden, dann bin ich das eben“, sagt Dagen in einem ZEIT-Artikel. Es ist äußerst fragwürdig, dass sie sich mit ihrer Charta unter anderem solidarisch mit dem Antaios-Verlag zeigt, um den es heftige Auseinandersetzungen und Übergriffe auf der Buchmesse gab.
Nach der Veranstaltung wurde deswegen bei Elke Ziegler, Leiterin der Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit der städtischen Bibliothek, nachgefragt. Eine Frage konnte gestellt werden: „Wissen Sie, was das für eine Buchhandlung ist und wie diese auftritt?“ Sofort erntete ich böse Blicke und den Blicken folgten direkt Worte. Frau Ziegler betonte lautstark, dass sie Susanne Dagen nun schon seit 20 Jahren kenne und sich verbitte, dass man sie einen Antisemiten oder Nazi nennt. Das das keiner in der Runde tat, fand bei ihr wenig Anklang. Sie redete sich förmlich in Rage. Sie betonte erst, dass es sich bei Frau Dagen um eine Freundin handelt, als ein weitere Mitarbeiterin dazukam, war es nur noch eine rein geschäftliche Partnerschaft.
Weitere Menschen suchten das Gespräch, vergeblich. Laut Frau Ziegler waren diese „undemokratisch“, denn eine Demokratie müsse das aushalten. Sie verstrickte sich immer weiter in Widersprüchen, bis besagte Kollegin eingriff und den umstehenden förmlich das Wort verbat. Auch der Pressevertreter*in. Mit den Worten „das politische hat hier nichts zu suchen!“ war die Diskussion beendet und ich hatte das Gebäude sofort zu verlassen.
Außenstehende konnten das Verhalten der beiden Damen nicht nachvollziehen. Die Menschen, die mit den Damen diskutierten, beschrieben das Verhalten und die Entscheidung, dass das BuchHaus Loschwitz die Veranstaltung, neben der Stadt Dresden, unterstützte, als pietätlos.
„Wissen Sie, was das für eine Buchhandlung ist und wie diese auftritt?“ – Nun, Sie wissen es offenbar nicht. Gehen Sie einfach mal hin und sehen Sie, was es dort für Bücher und Menschen gibt. Übrigens wäre es der journalistischen Sorgfalt und auch dem Respekt vor Frau Brenner geschuldet, die angeblich „weggefilterten“ Fragen deutlich zu nennen. Eintreten gegen Antisemitismus halte ich für nötig und ehrenwert. Mit Gemunkel und Geraune ist dem guten Anliegen jedoch nicht gedient.