AllgemeinChemnitzDemonstrationDresdenQuerdenken

Die Polizei Sachsen und Querdenken

Sachsen hat die höchsten Inzidenzen in Deutschland. Seit kurzem gelten wieder Beschränkungen – so auch für Versammlungen. Sie müssen ortsfest sein und maximal zehn Menschen dürfen daran teilnehmen. In den letzten Wochen liefen in vielen verschiedenen Orten im Bundesland „Querdenker*innen“ durch die Städte und Dörfer, mehrere hundert Menschen teilweise. Die Polizei glänzte mit Abwesenheit oder mit wohlwollender Passivität.

Der Frust in Sachsen ist hoch: Die Inzidenzen steigen, die Krankenhäuser sind überfüllt und die Gesundheitsämter und Labore kommen nicht mehr hinterher. Die Impfquote ist hier am geringsten, die Inzidenz bei der Polizei Sachsen soll 4.000 betragen. Laut Gewerkschaft drohe der Polizei ein Corona-Kollaps. Nun werden die Forderungen nach Antworten lauter: Wieso handelt die Polizei Sachsen nicht? Der Innenminister Roland Wöller (CDU) zeigt Verständnis für die „Querdenken“-Demonstrationen, die oft extrem gewalttätig sind.

Arbeitsverweigerung der Polizei Sachsen

Die Polizei Sachsen steht schon länger in der Kritik, wenn es um ihr Handeln, bzw. um ihr Nichthandeln, bei rechten Veranstaltungen geht. Bei der rechtsextremen „Querdenken“-Bewegung erreicht sie dabei neue Höhepunkte. Angriffe durch „Querdenker*innen“ werden oft toleriert, die Opfer immer wieder im Stich gelassen. Selbst brutale Angriffe auf Polizeikolleg*innen werden am Ende mit einem Achselzucken quittiert.

Am 29. November 2021 gab es anlässlich eines erneuten „Querdenken“-Aufmarsches in Chemnitz eine antifaschistische Blockade. Diese wurde von der Polizei teils brutal angegriffen, die Gruppierung „Chemnitz Nazifrei“ sprach von mehreren Verletzten. Im Nachgang versuchte die Polizei Sachsen den Menschen vorzuwerfen, sie habe versucht die Polizei anzugreifen. Schnell wurde das als erneute Lüge durch die Polizei Sachsen enttarnt, eine Richtigstellung oder gar eine Entschuldigung erfolgte nicht. Dazu kommt, dass die Mahnwachen von Aufstehen gegen Rassismus, der Seebrücke Chemnitz oder der Partei Die Linke verboten wurde. „Chemnitz Nazifrei“ betonte, dass die Verbote ausgesprochen wurden, um den Aufzug von „Querdenken“ zu gewährleisten.

Auch in Dresden wurde „Querdenken“ kurzzeitig blockiert. Im Nachgang bekamen Menschen eine Anzeige, weil sie „einen verbotenen Aufzug zu verhindern und seine Durchführung zu vereiteln“ versuchte. Verkehrte Welt in Sachsen oder doch gruselige Realität?

Nach Kritik an die Polizei Sachsen: Wird nun alles besser?

Die Zustände in Sachsen verärgerten immer mehr Menschen und man könnte sagen, Chemnitz brachte das Fass zum überlaufen. Die Kritik an den Innenminister weitet sich aus, überschreitet die Grenzen des von COVID19-gebeutelten Bundeslandes. Plötzlich regte sich etwas bei der Polizei Sachsen: Man kündigte eine „härtere Gangart“ an und verbotene Aufzüge sollen unterbunden werden. Nicht wenige sehen das als große PR-Show der Polizei, denn der Thron des Innenministers ist instabil.

Doch zurück zu Chemnitz: Über 300 Querdenker*innen ziehen am besagten 29. November durch die Chemnitzer Innenstadt. In Sachsen sind Aufzüge verboten, lediglich feste Kundgebung mit maximal zehn Personen sind nach der aktuellen Corona-Schutzverordnung erlaubt. 300, dass sind deutlich mehr als zehn Menschen. 290 Menschen mehr, um genau zu sein. Die Polizei ließ sie laufen. Zwei Verstöße, direkt am Anfang, werden einfach ignoriert.

25 Menschen haben sich daraufhin entschieden, den illegalen Aufmarsch einfach selbst zu stoppen. Sie setzten sich ihnen in den Weg und die passive Polizei erwachte aus einer Art Winterschlaf: Die Menschen gerieten in eine polizeiliche Maßnahme. Der Journalist Simon Berger war an diesem Abend vor Ort: „Bei den Festnahmen kam es zu widerlichen Szenen, Beamt*innen der Polizei Sachsen gingen brutal gegen friedlichen Gegenprotest vor, während rund 300 Schwurbler*innen weiter gewähren konnten.“

Der 06. Dezember sollte nun alles ändern, so zumindest die Polizei. Querdenker*innen riefen in Dresden dazu auf, die Sitzung im sächsischen Landtag zu stören, ja zu verunmöglichen. Die Polizei Sachsen reagierte mit einem Großaufgebot. Aus ganz Deutschland kamen Einheiten, Wasserwerfer wurden angefordert und auf den Wiesen grasten die Polizeipferde. An der Frauenkirche hörte man ein einsames Bellen eines Polizeihundes. Der sächsische Landtag wurde systematisch abgeriegelt. Hier kam nur rein, wer sich ausweisen konnte und eine Berechtigung besaß.

Die Ansammlung von „Querdenken“ kam nicht an den Landtag. Verschiedenste Personen wurden in polizeiliche Maßnahmen genommen, darunter einige prominentere aus dem rechtsextremen Spektrum, wie Madelaine F. der „Heidenauer Wellenlänge“. Am Abend folgte dann, wie jede Woche, der Autokorso von „Querdenken“. Die Polizei kümmerte sich hier mit Herz um den reibungslosen Ablauf. Eine kurzzeitige Blockade wurde sofort geräumt.

Auch in anderen Städten war die Polizei teils mit größeren Aufgeboten unterwegs. „In vielen Situationen am Abend wirkte die Polizei planlos und auch etwas gehemmt, anders als so oft bei linken Protesten.“, so der Journalist Simon Berger, der auch an diesem Abend aus Chemnitz berichtete, „Rund 150 Schwurbler*innen landeten letztendlich in einer polizeilichen Maßnahme, der Rest konnte erneut gewähren und den in der Innenstadt angemeldeten Gegenprotest verbal attackieren.“ Auch am Folgetag, dem 07. Dezember 2021, waren Querdenker*innen in Chemnitz unterwegs. Diesmal begleiteten sie nur ein bis zwei Einsatzwagen, wohlwollend. Eingegriffen wurde wieder nicht.

Die Brille ist beschlagen? – Ein Skandal folgt dem nächsten in Sachsen. Die Kritik an Innenminister Wöller (CDU) bleibt

Wir sind beim 10. Dezember 2021 angekommen und wieder in Dresden. Querdenken zieht wieder illegal durch die Innenstadt, die Polizei blieb dem Treiben fern. Von vor Ort berichtende Journalist*innen erzählten von durchgängigen Bedrängungen, immer wieder wurde gegen die Ausrüstung geschlagen. An der Frauenkirche ging es so weit, dass ein*e Teilnehmer*in damit drohte, Journalist*innen mit einer Glasflasche zu attackieren.

Die Polizei kam schlussendlich und die Journalist*innen wurden in eine polizeiliche Maßnahme genommen, ihre Daten notiert. Die Täter*innen blieben unbehelligt, beobachteten das Geschehen sogar belustigt. Die Ansammlung von Menschen blieb weiter bestehen, die unliebsamen Journalist*innen wurden an ihrer Arbeit gehindert. Auf erneuter Nachfrage, antwortete der Polizist, er habe nicht gewusst, dass die Menschen Journalist*innen seien, obwohl er ihre Presseausweise kontrollierte. Auf weitere Nachfragen kam nur ein: „Hab ich nicht gesehen, die Brille war beschlagen“ Am notieren der Daten hinderte die beschlagene Brille aber nicht. Die Polizei Sachsen entschuldigte sich im Nachgang auf Social Media. Man kündigt an, die Kolleg*innen erneut zu sensibilisieren.

„Was Wöller macht, ist Arbeitsverweigerung, das Ergebnis ist Kontrollverlust. Wöller ist die Bremse der Pandemiebekämpfung.“

Kerstin Köditz (Die Linke)

Sachsen hat nicht erst seit der Pandemie ein Problem. Die versprochenen Verbesserungen treten selten ein und wenn, dann nur kurzzeitig. Querdenker*innen belagern die Häuser des Ministerpräsidenten Kretschmer (CDU) und der Gesundheitsministerin Köpping (SPD). Immer wieder werden Menschen teils schwer verletzt, die Arbeit für Journalist*innen wird mit jeder Demonstration gefährlicher. Trotzdem will man in diesem Land an einem festhalten: Das Gespräch mit rechts oder das systematische ignorieren, wie in Dresden. Was es gebracht hat, dafür kann man ein ganzes Buch füllen. Terrorgruppen, Anschläge und Menschen, die diesem Bundesland den Rücken kehren.

Dir gefällt unsere Arbeit? Unterstütze uns doch mit einem Kaffee!

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.